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Insekten-Drama

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Jetzt soll die Serengeti doch noch sterben

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Dem tansanischen Weltnaturerbe und seinen einzigartigen Wildtierwanderungen droht eine todbringende Schnellstrasse: Tansanias Regierung will 2012 eine Handelsstrasse mitten durch das Gebiet der grössten Tierwanderungen der Welt treiben.

Das Vorhaben hat einen internationalen Aufschrei provoziert – und die im Gebiet dank Bernhard Grzimek engagierte Zoologische Gesellschaft Frankfurt gezwungen, endlich Stellung zu beziehen: Für den Nationalpark wäre eine "Trans-Serengeti" das sichere Ende.

Von Ruedi Suter

Hoch oben am Himmel kreisen grosse Vögel in weiten Schlaufen. Es sind Geier. Sie halten Ausschau nach Kadavern oder Tieren, die tief unter ihnen im wildreichsten Gebiet der Erde verletzt oder altersgeschwächt ihrem Ende entgegensehen. Meistens sind es Antilopen wie Gnus, aber auch andere Arten wie Zebras, Giraffen, Büffel, Strausse, Warzenschweine, Flusspferde, Krokodile, Hyänen, Löwen, Leoparden und viele kleinere Tiere. Sie alle bevölkern die riesigen Weiten des Serengeti-Nationalparks im nördlichen Tansania.

Auch Elefanten gibt es hier seit einigen Jahren wieder zahlreicher zu sehen, und selbst ein paar der in Ostafrika beinahe ausgerotteten Spitzmaulnashörner trotten dank den verschärften Schutzmassnahmen wieder durch den Akazienbusch des 14'763 Quadratkilometer grossen Schutzgebiets. Doch neuerdings symbolisiert das Kreisen der Geier eine ganz andere Gefahr – das einzigartige Wildparadies mit den riesigen Tierwanderungen ist durch politische Ränkespiele und wirtschaftliche Begehrlichkeiten existenziell bedroht. Was seit Jahren schon diskutiert wird, soll 2012 endlich Wirklichkeit werden: Eine Schnellstrasse quer durch den Norden der Serengeti. Ihre Realisierung wäre der Anfang vom Ende des wertvollen Biosphärenreservats.

"Serengeti darf nicht sterben"

"Da sitze ich nun, achtundvierzig Jahre alt, am trüben Morgen des 11. Dezember 1957 in unserem einmotorigen Flugzeug und fliege in 200 Meter Höhe den Rhein entlang nach Süden, nach der Schweiz. (...) Mir ist etwas beklommen zumute. Wir sind am Beginn eines 10'000 Kilometer langen Fluges über das Mittelmeer, die Wüste, Ägypten, Zentralafrika bis über den Äquator hinweg. (...) Nie hätte ich geglaubt, dass ich einmal als Pilot in einem Maschinchen bis an den Victoriasee fliegen würde."

So beginnt der Bestseller "Serengeti darf nicht sterben" des deutschen Tierarztes, Naturschützers und Zoodirektors Bernhard Grzimek (1909-1987, Bild). Sein engagiertes Buch und der gleichnamige Film über die Gefährdung des 1951 gegründeten Nationalparks machten die Serengeti weltweit und gerade noch rechtzeitig zu einem Begriff: Der Appell des weitsichtigen Professors für die Erhaltung der Tiere und der Landschaften rettete der Menschheit eine einzigartige Wildnis.

Nicht zuletzt dank Bernhard Grzimek, den eine Männerfreundschaft mit Tansanias erstem Präsidenten Julius Nyerere verband, schuf das Land musterhaft viele neue Nationalparks und konnte die Serengeti bis in die Gegenwart vor allzu vielen zivilisatorischen Einflüssen bewahrt werden. Die Naturschutzorganisation Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF), deren Präsident Bernhard Grzimek war, hat bis heute ihr richtungsweisendes Engagement in der Serengeti aufrechterhalten. Doch den längst fälligen Alarm hat nicht sie ausgelöst. Das waren andere, die couragierter sind und sich weniger im Dorngebüsch afrikanischer Interessenspolitik verheddert haben.

Im Visier der Grossinvestoren

Fakt ist, dass der von der Regierung geplante Highway und die ihn umrankenden Gerüchte die Gemüter schon seit Jahren immer wieder erregt. Nach allen bislang vorliegenden Informationen handelt es sich letzten Endes um eine strategische Handelsstrasse, welche Häfen wie jenen von Tanga am Indischen Ozean direkt mit den Binnenländern des zentralen Afrikas verbinden soll.

"Leider ist diese geplante Strasse kein Einzelfall, sondern Teil des gesamten 'Northern Corridor'-Projektes, das auch eine Sodafabrik am Natronsee und einen neuen 'Tiefseehafen' in der Mwambani-Bucht in Tanga vorsieht: Also mitten im neuen, 2009 deklarierten Marinepark für Quastenflosser", erklärte eine Umweltschützerin gegenüber dem FSS.

Hinter solchen Vorhaben steckt auch das zunehmende Interessen der Grossmächte und des Welthandels an Ostafrika und Tansania. Um das politisch immer noch stabile, jedoch von Korruption gebeutelte Land mit seinen grossen Rohstoffreserven und Touristenattraktionen buhlen heute vor allem Investoren aus westlichen Industrieländern, China und den arabischen Staaten.

Die geplante "Trans-Serengeti" würde von der Ortschaft Loliondo – parallel zur Grenze Kenias und dessen angrenzendem Massai-Mara-Wildschutzgebiet – in Richtung Westen durch die Serengeti zum Ort Mugumu und weiter nach Musoma zum Victoriasee führen.

Die Regierung gibt sich entschlossen, das Vorhaben durchzuboxen. Im Oktober sind Wahlen, und so argumentiert sie mit ausschliesslich wirtschaftlichen Aspekten: Von der Verbindung könnten endlich auch die schlecht zugänglichen Ortschaften und ihre Einwohner westlich der Serengeti profitieren.

Eine bessere Route bedeute mehr Handel, Erleichterungen und Fortschritt. Auf dem Highway würden jedoch neben Bussen und Personenwagen Tag für Tag auch Kolonnen schwerer Lastwagen rollen. Just das Teilstück durch den Nationalpark ist aber für das Ökosystem Serengeti von eminenter Bedeutung. Grund: Hier zieht jedes Jahr die grösste Tierwanderung der Welt mit gegen zwei Millionen Gnus und Zebras durch.

Wichtige Kritiker kaltgestellt

Die Asphaltpiste hätte ein brutales Durchschneiden der Wanderrouten zur Folge. Darum befürchten Parkbehörden, Ökologen und Zoologen ein noch nie dagewesenes Massaker. Tausende angefahrener, verletzter und überfahrener Wildtiere müssten in Kauf genommen werden, befürchtet unter anderem auch Professor Claude Mung'ong'o vom Ressourcen-Institut der Universität Dar-es-Salaam. Überdies würde die nördliche Serengeti für die dort ohnehin grassierende Wilderei noch besser zugänglich.

Schlaflose Nächte verursachte das Projekt vor Jahren schon dem damaligen und langjährigen Generaldirektor der Tansanischen Nationalparkbehörde (Tanapa), dem Zoologen Gerald Bigurube. Er wie auch andere führende Tanapa-Beamte wehrten sich lange gegen die "commercial road" und erklärten den Ministerien mutig, diese Strasse dürfe niemals gebaut werden.

Der als integer geltende Bigurube musste dann aber aufgrund dubioser Korruptionsvorwürfe seinen Posten räumen – gleich wie zuvor sein Vorgänger Lota Melamari, der bei anderen Ärgernissen ebenfalls kein Blatt vor den Mund nahm und schliesslich seinen Hut zu nehmen hatte.

Bigurube wurde unlängst von der ZGF angestellt, und Melamari setzt sich heute als Direktor der tansanischen Wildschutzgesellschaft (WCST) vehement gegen das "destruktive Strassenprojekt" ein, "welches alle bisherigen Anstrengungen zur Erhaltung dieses kulturellen und natürlichen Erbes" zunichte mache.

Auch die Weltbank will vom Projekt nichts wissen. Ihr zuständiger Mitarbeiter Dieter Schelling erklärte öffentlich, seine Institution sei bereits südlich der Serengeti beim Ausbau einer Alternativstrasse nach Musoma am Victoriasee engagiert. Doch diese wird, da sie länger ist, von Wirtschafts- und Regierungskreisen als kostspieliger "Umweg" schlecht gemacht.

Protest aus der Schweiz

Der Sturm der Entrüstung, zuerst von besorgten Individuen und kleineren Nichtregierungsorganisationen (NGO) angefacht, hat in den letzten Wochen an Heftigkeit massiv zugenommen, der nationale und internationale Druck via Medien, Protestnoten und Internet auf die tansanische Regierung ebenfalls.

In der Wirtschaftsmetropole und früheren Hauptstadt Dar-es-Salaam raten die meisten Diplomaten, worunter auch die Vertreter der Schweiz, so vernehmbar wie möglich von einer Realisierung der Strasse ab. Tourismus-Organisationen protestieren, weil sie massive finanzielle Einbussen befürchten. Und der Nachbarstaat Kenia mit seinem an die Serengeti grenzenden Touristenmagnet, dem Massai-Mara-Schutzgebiet, zeigte sich empört über das Strassenvorhaben. Es würde auch den Wildtierwanderungen in den Massai-Mara übel mitspielen.

Aktiv wurde überdies der Verein «Freunde der Serengeti Schweiz (FSS)».
Diese NGO setzt sich seit über einem Vierteljahrhundert in der Schweiz und in Tansania schwerpunktmässig für den berühmten Nationalpark ein. Ihr Präsident, der Schlierener Arzt Beni Arnet, fordert nun in einem am Wochenende abgeschickten Schreiben Tansanias Präsident Jakaya Mrisho Kikwete auf, das Projekt umgehend fallen zu lassen: «Aus unzähligen anderen Beispielen auf der Welt wissen wir, dass sensible Ökosysteme Handelsstrassen dieser Art niemals verkraften.»

Der Bau des Highways, so Arnet weiter, wäre der Beginn einer nicht wieder gut zu machenden Zerstörung des Serengeti-Ökosystems. «Wir können nicht ein Gebiet unterstützen, das von einer Regierung mit ruinösen Bauplänen als nicht mehr schutzwürdig erachtet wird», warnt der FSS-Präsident mit einem Blick in die Zukunft. Sein Schreiben schliesst mit der Befürchtung, sich beim Bau aus dem Schutzgebiet zurückziehen zu müssen und der Bitte, doch der Serengeti ihren Frieden zu lassen.

Grzimek-Nachfolger wiegelt ab


Arnet hatte auf einer Informationsreise bereits 2007 im östlichen Projektgebiet Strassenbau-Profile entdeckt. Seine Nachfrage bei Landsmann Markus Borner, zuständig für alle Afrika-Projekte der ZGF, wurde jedoch verharmlosend beantwortet. Die Sache sei vom Tisch, meinte der seit Jahrzehnten in der Serengeti lebende und von den Medien als «Grzimek-Nachfolger» umschriebene Schweizer. Auch gegenüber Medienleuten, die ihm damals bereits konkrete Fragen stellten, hielt sich Borner bedeckt.

Seine Begründung: Die ZGF arbeite «auf Vertrauensbasis mit der Regierung zusammen» und könne und wolle sich deshalb nicht äussern. So bezieht er im Einverständnis mit der Zentrale in Frankfurt – und ganz im Gegensatz zu seinem «Ziehvater» Bernhard Grzimek – nur im höchsten Notfall klar Stellung.

Dies allerdings nicht nur aus persönlichen Gründen: Tansania hat sich seit Grzimeks Tagen verändert, dessen Klartext-Sprache würde kaum mehr geduldet. Überdies müssen sich heute Markus Borner und die ZGF in einem politisch schwierigen, zunehmend von Korruption geprägten Umfeld behaupten. Konfrontationen werden darum tunlichst vermieden.

Bedrohte Wildtiere

So reagierte die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die in Tansania nach wie vor ein beträchtliches Gewicht hat, erst durch den Druck der allgemeinen Empörung auf die Bedrohung. Doch wenigstens ist ihre späte und von Gerald Bigurube mitformulierte Erklärung gegen das Strassenbauprojekt ausführlich und unmissverständlich ausgefallen.

Die ZGF lässt keine Zweifel offen, dass eine "Trans-Serengeti" verheerende Folgen auf das Ökosystem hätte. Mit der Schnellstrasse würden überdies Tierkrankheiten in den Park geschleppt, die den Wildbestand rasch reduzieren könnten, warnt die Organisation unter anderem.

Die von ihrem Direktor Christof Schenck gezeichnete und an die tansanische Regierung gerichtete Stellungnahme endet diplomatisch versöhnlich: "Wir sind überzeugt, dass die Leader und das Volk Tansanias nichts unternehmen werden, was die berühmte Serengeti zerstören würde."

Dem steht unter anderem eine Wahlrede des heutigen Präsidenten Kikwete entgegen. Der als Hoffnungsträger für die Umwelt und gegen die Korruption angetretene Politiker hatte bereits 2005 im Serengeti-Distrikt klar gemacht, dass er den Highway zur Aufwertung der wirtschaftlich vernachlässigten Region auf jeden Fall bauen lassen wolle. Dass das dem Biosphären-Reservat schadet – zu ihm gehören auch der Ngorongoro-Krater und das Massai-Mara-Schutzgebiet –, scheint ihn zurzeit nicht weiter zu bekümmern.

Partnerschaft mit US-Amerikaner


Allerdings stecken die Frankfurter auch noch aus einem anderen Grund im Schlamm. Sie haben sich mit dem US-Milliardär und Hedge Funds-Spezialisten Paul Tudor Jones (PTI) eingelassen, der in Tansania über seine «Grumeti» -Unternehmen schon gegen 100 Millionen Dollar investiert haben soll. Dies vor allem in erfolgreiche Wildschutzprojekte unweit des Grumeti-Flusses in der westlichen Serengeti und in den Bau einsamer Luxus-Lodges für die Super-Reichen dieser Welt.

Der Namen des betuchten Obama-Unterstützers fiel in den letzten Jahren jedoch regelmässig auch im Zusammenhang mit dem Bau eines internationalen Flughafens beim Städtchen Mugumu knapp ausserhalb der West-Serengeti – und dem daran gekoppelten Strassenprojekt quer durch die Serengeti. Gemäss verschiedener Quellen habe der angeblich überzeugte Umweltschützer PTJ seine Bereitschaft kundgetan, für die beiden teuren Vorhaben auch gleich das nötige Geld aufzuwerfen.

Gefährdetes Prestigeprojekt

Nicht genug: Paul Tudor Jones steckte nun gegen sechs Millionen Euro in ein Prestige-Projekt der ZGF: Die Wiederansiedlung von 32 Ostafrikanischen Spitzmaulnashörnern aus Südafrika in der Serengeti. Kauf, Einfangen, Transport, Auswilderung und der Schutz durch eine extra ausgebildete Spezialtruppe werden vom Amerikaner finanziert. Am 21. Mai landete vor 500 geladenen Gästen aus aller Welt eine Lockheed C-130 Hercules-Transportmaschine mit den ersten fünf Nashörnern auf der Sandpiste des Serengeti-Hauptquartiers Seronera.

Unter den Augenzeugen der Landung und des Beginns der "grössten Umsiedlung dieser Art" (ZGF) gab sich ein Mann bei seiner Ansprache besonders begeistert – Tansanias Regierungsoberhaupt Kikwete. Das von ihm geforderte und von Milliardär Jones befürwortete Highway-Projekt wurde zu dieser Zeit längst schon heftig diskutiert.

Doch die ZGF hielt still, wohl aus Furcht, den Präsidenten wie auch Mäzen Paul Tudor Jones vor den Kopf zu stossen. Ihre öffentliche Stellungnahme gegen die Strasse erfolgte erst drei Wochen später, nachdem die deutsche Gesellschaft endgültig ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren drohte. Dies wiederum war für besorgte Kritiker selbst innerhalb der Nationalparkbehörde um Monate, wenn nicht gar um Jahre zu spät.

Heilloses Durcheinander

Geradezu widersinnig scheint da die Wahl des neuen Lebensraums für die aus Südafrika eingeflogenen Nashörner: Er befindet sich ebenfalls im Norden der Serengeti und könnte von Wilderern über die geplante Handelsstrasse relativ einfach erreicht werden.

Dass Nashornwilderer, zumeist von chinesischen Verbrechersyndikaten angeheuert, heute keine Mittel mehr scheuen und neuerdings sogar mit Helikoptern operieren, zeigen die Zustände im bislang beim Wildschutz sehr gut organisierten Südafrika. Allein 2009 wurden dort – trotz der professionellen Antiwilderei-Einheiten – über 120 Nashörner ihres Nasenhorns wegen umgebracht. Hier stellt sich vor allem die Frage, wie die tansanischen Ranger mit ihren relativ beschränkten Mitteln die Nashornkiller abwehren wollen.

Rettet also Milliardär Paul Tudor Jones (Bild) mit Hilfe der ZGF Ostafrikanische Nashörner aus Südafrika, um sie in Tansania auszuwildern und später den Wilderern durch eine mitfinanzierte Schnellstrasse quer durch die geöffnete Serengeti auf dem Silbertablett zu präsentieren?

Dies anzunehmen, halten selbst seine misstrauischten Kritiker für absurd. Klar scheint nur: Bei der Planung der gross angekündigten Nashorn-Rückführung nach Tansania wurden wichtige Zusammenhänge nicht erkannt – oder aus politischen Überlegungen oder Prestigegründen bewusst ignoriert.

US-Milliardär krebst zurück


So begeistert Tansanias Präsident Kikwete die Ankunft der ersten fünf Nashörner aus Südafrika bejubelte, so unnachgiebig tönen er und seine Regierung beim Projekt: Der Highway werde gebaut. Ob er das wirklich wird, ob Tansania tatsächlich das UNESCO-Weltnaturerbe Serengeti so leichtfertig opfert, ist noch nicht in Stein gemeisselt. Unterdessen hat der internationale Druck auf das Land enorm zugenommen. Unterdessen hat sich aber auch Paul Tudor Jones persönlich ein Bild von der Lage im tansanischen Busch gemacht.

Diesen Juli soll er nun versichert haben, die geplante Strasse nicht mehr zu unterstützen und dies in diesen Tagen dem Präsidenten auch persönlich zu begründen. Damit dürften Tansania auch die Finanzen zur Realisierung der "Trans-Serengeti" fehlen. Zumindest so lange, bis ein neuer Geldgeber einspringt, China zum Beispiel.

Ob die Serengeti bald sterben wird, bleibt vorderhand offen. Sicher ist nur, dass das prächtige Biosphärenreservat wie auch Tansania mit seinen attraktiven Ressourcen zunehmend die Begierden grosser Investoren wie Staaten, Minen- und Tourismuskonzernen weckt.

Überdies nehmen Bevölkerungsdruck und der Kampf um Land an den Grenzen des Nationalparks weiter zu: Die letzte Schlacht um die Serengeti ist in vollem Gang – und das Kreisen der Geier über diesem von vielen Seiten bedrohten Paradies auf Erden dürfte so schnell seine Doppeldeutigkeit nicht verlieren.

Titelbild: Einsames Gnu in der Serengeti | © Foto Gian Schachenmann

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Franz Weber der Retter ist zorniger denn je

Guest User

Er gewann, wo alles schon verloren schien. Dank dem eigensinnigen und ewig zornigen Franz Weber aus Basel blieben der Schweiz und Europa zahlreiche bezaubernde Landschaften und Kulturstätten erhalten. Am 27. Juli 2007 ist der Grandseigneur des europäischen Umweltschutzes mit globaler Ausstrahlung 80 Jahre geworden.

Wir haben ihn in seinem Büro in Montreux besucht und zu seinem Leben befragt. Klar wurde dabei, dass ihm seine Altersmilde für die nächsten 20 Jahre nur etwas gebietet: "Mit rabiater Wucht weiterarbeiten!"

Von  Ruedi Suter - FSS

Der Mann federt die Treppe hoch, als sei er erst 40. Aber er ist doppelt so alt und will, wie immer, keine Zeit verlieren. Denn noch gebe es furchtbar viel zu tun, und die freizeitlosen Siebentagewochen mit ihren täglich 12 bis 15 Arbeitsstunden reichten nirgends hin – zu gigantisch seien sie, die "Rücksichtslosigkeit, Dummheit und Habgier der Zerstörer" von Land und Leben, wird uns Franz Weber, der flinke Treppensteiger, später erklären. Den "Zerstörern" stemmt er sich seit Jahrzehnten entgegen. Fast rund um die Uhr - und mit verblüffendem Erfolg. 

Doch Gegner belächeln ihn zunächst gerne, schimpfen ihn einen "Spinner", einen "Fantasten" oder gar als einen, "der nicht mehr alle Tassen im Schrank" hat. Warum eigentlich? Wir reisten von der Grenzstadt Basel in die Grenzstadt Montreux zum Sitz der Fondation Franz Weber, quer durch die Schweiz, welche ohne Webers Einsatz schmerzhaft viel an Identität und Charme verloren hätte, um mit dem gebürtigen Basler ein Gespräch zu führen.

Im zweiten Stock der Villa aus dem 18. Jahrhundert (sie liegt nahe am Genfersee und wurde dank Weber mit zwei Dutzend weiteren herrschaftlichen Villen vor dem Abbruch gerettet) bittet uns der Hausherr in ein Zimmer mit Blumentapeten. Hier sei es ruhiger als unten im Büro, hier schrille nicht dauernd das Telefon, sagt Franz Weber im reinsten Baseldytsch. Wir nehmen Platz. Er wirkt zerbrechlich und schüchtern fast, aber von früheren Begegnungen wissen wir, dass er sich im Nu straffen und zum kraftvoll gestikulierenden Kampfredner wandeln kann, um unerbittlich und mit starker Stimme Klartext zu sprechen. 

Herr Weber: Wie geht es Ihnen?

Blendend!

Sie sind jetzt 80 Jahre alt ...

Vier mal 20! 

Warum sagen sie das?

Weil ich immer noch gleich jung bin wie mit 20 und gar nicht begreife, dass jemand jünger ist als ich. Man hat doch nur das Alter, das man sich einredet! Wenn ich denke: Oha, jetzt ich bin 80, dann fühle ich mich plötzlich alt, dann kann ich auch nicht mehr die Treppe hoch rasen. Aber ich rase immer noch die Treppe hoch!

Das haben wir eben gesehen! Sie sind fit, wie machen Sie das?

Ich renne bei der Arbeit daheim oder hier im Gebäude täglich etwa 30 mal die Treppen hoch und runter. Und ich esse abends nur ein paar Kiwi. Das ist alles, neben dem Morgen- und Mittagessen.

Wir leben in einem permanenten Krieg

Sie bewegen sich gerne, Sie sind aber auch ein Bewegter, der gerne viel bewegt. Was bewegt Sie am meisten in Ihrem Leben?

Wenn Dinge kaputtgemacht werden. Ich empöre mich gegen die masslose Ungerechtigkeit gegenüber der Natur, gegenüber der Tierwelt, gegenüber den Schwachen. Ich habe ein wahnsinniges Mitgefühl für alles, das ist mir offenbar in die Wiege gelegt worden. Ich kann kein Elend sehen, Elend ist eine Schande! Ich finde es einen Irrsinn, wenn man für den Profit von ein paar Gangstern einfach Kulturgüter oder Landschaften ruiniert.

Ich ertrage das einfach nicht, dass man so ungerecht sein kann! Ich kann auch nicht verstehen, dass man Kinder plagt oder verhungern lässt. Das regt mich masslos auf. Oder dass man ein Tier quält, die Umwelt vernichtet, Bäume umhaut. Darum leben wir ja in einem permanenten Krieg – weil der Respekt vor der Schöpfung fehlt.

Wer Zerstörungen verhindert, wird zum Retter. Franz Weber hat sich daraus einen Beruf gemacht. Mit unterdessen gegen 150 Kampagnen, worunter 27 kantonale und eidgenössische Volksinitiativen, mit kompromisslosen Kämpfen und etlichen Siegen, an die zunächst niemand glauben wollte.

So nennen ihn heute nicht nur seine Getreuen "Retter von Surlej und der herrlichen Engadiner Seenlandschaft, Retter von Lavaux, des schönsten Weinbergs Europas, Retter von Ouchy, der grünen Lunge von Lausanne, Retter von Delphi, der Wiege des Abendlandes, Retter von Les Baux de Provence, des südfranzösischen Naturwunders, Retter der Auenwälder von Hainburg, des letzten grossen Feuchtgebiets Europas, Retter des prächtigen Grandhotels Giessbach am Brienzersee, der Robbenbabys in Kanada, der Wildpferde in Australien und der Elefanten in Togo".

Besonders was die von der Totalüberbauung bedrohte Schweiz betrifft, gibt es keine Zweifel: Ohne Retter Weber hätte sie ein paar Landschafts-Juwelen verloren. Sie lägen zu einem Grossteil unter Beton. Worauf führt der "Verhinderer", wie er zuweilen verunglimpft wird, seine Erfolge zurück?

Ich sah mich immer als Weltbürger

Ich sah mich immer – wie soll ich sagen – als ein Weltbürger. Wenn ich irgendwo eine schöne Landschaft bedroht sah, sagte ich zu Einheimischen: Das ist eure Landschaft, aber auch meine. Sie gehört allen. Und das Engadin gehört den Europäern, ned wohr (nicht wahr). Und Lavaux gehört nicht nur dem Waadtland, sondern der ganzen Schweiz, ganz Europa, ja der ganzen Welt! Und wir müssen es schützen. Ich habe immer so empfunden – und nun ist Lavaux von der Unesco zum Welterbe erklärt worden! Als ich Delphi rettete, sagte ich den Griechen: Natürlich gehört Delphi zu Griechenland! Aber es ist auch ein Juwel des Abendlandes. Dann habe ich aber auch bei jeder Kampagne zuerst die Menschen vor Ort angehört, mit ihnen diskutiert und sie zu überzeugen versucht.

Mit dem inneren Feuer, der Gestik und Lautstärke eines südamerikanischen Revoluzzers!

Ja, man muss natürlich ein guter Redner sein. Ich kann die Menschen mit meinen Reden mitreissen. Man muss natürlich die richtigen Argumente und Vokabeln haben. So, dass es nur so kracht: Bom! Bom! Bom! Paiiii! Hinausschreien, ned wohr, dass es richtig uusetätscht! Vor allem braucht es aber eine unerschütterliche Überzeugung, Temperament und eine vollkommene Integrität. Kein Lavieren! Kein Um-den-Brei-reden! Nein, man muss klar und zielgerichtet zu seiner Meinung stehen – und dann voll drauf!

Auch durch die Wand?

Ja, auch durch die Wand! Man muss aber in einem gewissen Sinne auch napoleonische Fähigkeiten haben. Ich bin kein Bewunderer Napoleons, aber ich habe ihn ein bitzeli studiert. Toll, wie der in Austerliz siegte, und in Waterloo hätte er ja auch fast gewonnen. Napoleon hat immer blitzschnell gehandelt, blitzschnell! Und er hat taktisch genau überlegt.

Oft hat er einfach nur die Truppen marschieren lassen, und die Gegner haben kampflos kapituliert. Das gleiche Prinzip wandte ich bei den Intitativen "Keine Wasserflugzeuge auf Schweizerseen" und "Rettet das Simmental" an. Ich liess meine Truppen marschieren (lacht spitzbübisch), ohne die wir heute zum Beispiel eine Autobahn durch das wunderschöne Simmental hätten.

Die heftig umstrittene Zollfreistrasse zwischen Weil am Rhein und Lörrach am Wiese-Fluss in Basel wird nun aber gebaut.

Ich war dort und habe den Gegnern und Martin Vosseler meine Hilfe angeboten. Man wollte sie nicht wirklich, und der Kampf wurde blödsinnig verloren. Ich sage ihnen, wir hätten mit einer richtigen Kampagne grandios gewinnen können. Grandios! Wir hätten eine neue Inititative gemacht, ganz Deutschland mobilisiert und einen Riesenklamauk veranstaltet!

Und damit wäre das Vorhaben erledigt worden?

Natürlich! Enfin, voyons – es ist verrückt, das war reiner Defätismus. Aber ich will niemand attackieren, für Basel ist der Bau dieser Strasse wirklich schade. Übrigens: Auch die Swissair hätten wir retten können. Sie war wie das Matterhorn ein Teil der Schweiz. Wir hätten mit einer steuerfreien Anleihe innert zehn Tagen Milliarden zusammenbekommen! Der marode französische Staat konnte 1952 auch so gerettet werden!

Franz Weber fühlt sich seiner Geburtsstadt immer noch stark verbunden, trotz allen "architektonischen Scheusslichkeiten", die sie unterdessen erlitten habe. Aufgewachsen ist er mit sechs Geschwistern zwischen Wiese und Rhein, im Hirzbrunnenquartier, wo später auch Regenwaldschützer Bruno Manser seine Kindheit verbringen wird. Franz,

Sohn eines Staatsbeamten, verliert seine Mutter als er zehn ist. Die harmonische Familie zerbricht, der sensible und musisch begabte Junge muss ins katholische Kinderheim Vincentianum an der Socinstrasse. Es folgt eine kaufmännische Lehre, und dem eigenwilligen, gut aussehenden Franz eilt bald der Ruf eines Herzensbrechers voraus.

Man muss in gewissem Sinn napoleonische Fähigkeiten haben

Er absolviert die Rekrutenschule und reist nach Paris. Er lernt an der Sorbonne Philosophie, Literatur und Geschichte, verdient sich als Journalist und Essayist seinen Lebensunterhalt. Weber hat rasch Erfolg, reist viel, liebt eine Pariser Schriftstellerin, mit der er die Zeitschrift "La Voix des poètes" (Die Stimme dere Dichter) herausgibt. Er kommt mit berühmten französischen Zeitgenossen aus Kunst, Musik und Literatur zusammen, Z.B. mit Jean Cocteau, François Mauriac, Eugène Ionesco, Charles Trénet, Jacques Brel, Jane Fonda, Charles Aznavour, François Hardy und Brigitte Bardot, mit der er später gegen das Abschlachten der Robbenbabies kämpft. Es sind Jahre, die den Basler innerlich wie äusserlich prägen und zum Fast-Franzosen werden lassen.

S'isch wirklig glatt gsi, ned wohr. Ich war total integriert und freute mich zugleich, ein Schweizer zu sein.

Der Augenblick, welcher aus dem Journalisten im Trenchcoat und Bewunderer von Henri Dunant, Jiddu Krishnamurti und Mahatma Gandhi einen radikalen Umweltaktivisten macht, kommt im Herbst 1965, wo Weber im Engadiner Surlej das Werk von "Bauhalunken" entdeckt, die den "hässlichsten Parkplatz der Welt hingepflastert haben". "Sie hatten sich an Unantastbarem vergangenen. Ich war ausser mir vor Zorn und Schmerz", schrieb der Entsetzte in dem zu seinem Markenzeichen entwickelten Pathos.

Franz Weber muss zuerst seinen Journalistenlohn in den schliesslich erfolgreichen Kampf gegen die "Verschandelung des Engadins" investieren. Aber bereits hier zeigen sich seine Fähigkeiten: Er ist ein Visionär, ein Kämpfer, ein Organisationstalent. Er kann aufrütteln, Ideen vermitteln, kalkulieren und aus seiner ehrlichen Empörung gegen die Vernichtung von ihm wichtigen Werten ein Geschäft aufbauen. So entwickelt sich "FW" zum "Rebellen für die Natur" (Titel einer Biographie), zum Gründer der Fondation, die jährlich um die zwei Millionen Spendengelder einnimmt, und der Helvetia Nostra.

Doch Franz Weber bleibt ein Einzelkämpfer, dem lediglich juristische Spezialist/innen und, je nach Bedarf, weitere Fachleute zur Seite stehen. Aber er will, ausser sich, seiner Familie, seiner Organisation und deren Kontrollorganen niemand Rechenschaft ablegen müssen.

Mit der Stiftung hält er sich den Rücken für seine schnellen Angriffe frei. Niemand vermag ihm dreinzureden, ihn zu bremsen, ihm den Mund zu verbieten. So kann er der Sprache des Herzens, seinen Überzeugungen und scharfen Verbal-Attacken freien Lauf lassen – und Dinge beim Namen nennen, die beispielsweise die politischen Parteien oder grossen Umwelt- und Tierschutzorganisationen aus unterschiedlichen Gründen lieber verschweigen. Seine undiplomatische Offenheit stösst aber in der konsensorientierten Schweiz zuweilen auch auf gefühlsmässige Ablehnung. Hat er ein Mitgefühl für seine Gegner?

Nadirlig, das sind armi Sieche! (Natürlich, das sind arme Typen). Ich hätte viele meiner Gegner fertig machen können, aber das habe ich nicht gemacht.

Weber ist sich gewohnt, angegriffen zu werden. Wer angreift, muss mit Gegenangriffen rechnen. In den achtziger Jahren wird Franz Weber von der "Weltwoche" vorgeworfen, er veruntreue Spendengelder seiner vom Bund kontrollierten Stiftung. Weber reagiert entsetzt, spricht von einer "Verleumdungskampagne" durch das Magazin, der rechtslastigen Organisation "Trumpf Buur" und ehemaligen Mitarbeitern.

Die Sache ufert mit Klagen und Gegenklagen aus, sie zieht Kreise, von der Waadtländer Justiz bis zum Europäischen Gerichtshof, wo die Schweiz verurteilt wird, um sich schliesslich als Sturm im Wasserglas zu entpuppen, der den Beschuldigten entlastete, jedoch allen Beteiligten schadete. Auch Franz Weber persönlich, den selbst heute noch allein schon die Infragestellung seiner Glaubwürdigkeit stark zu schaffen macht. Wie auch die Tatsache, dass er – ähnlich wie Freund Jean Ziegler – im Ausland häufig mehr geachtet wird und Dankbarkeit erfährt als in seiner Heimat.

Es gibt eine Macht des Geistes

Ob er denn je Zweifel am Sinn seines Engagements gehabt habe, wollen wir wissen.

Nein. Voyons, man kann doch viel bewegen! Es gibt eine Macht des Geistes, das gibt’s! Wenn man entschlossen auf ein Ziel zusteuert, reisst man die Leute mit. Das ist ganz eigenartig, aber aus dieser Entschlossenheit entwickelt sich eine Dynamik. Das kann ich Ihnen garantieren! Als ich die Delphi-Kampagne machte, da hat uns der Apollo geholfen! Ich bin überzeugt, dass der gekommen ist (lacht). Sie kamen, um zu helfen, die griechischen Götter!

Helfen Ihnen auch sonst Götter, Gott oder höhere Wesen?

Ich will dies so nicht sagen, das wirkt immer so selbstherrlich. (Denkt nach). Ich habe einfach gemerkt: Wenn man sich für etwas total einsetzt, dann entwickelt sich plötzlich eine Intelligenz im Kopf. Neue Möglichkeiten bieten sich an, wie man etwas anpacken kann. Und plötzlich hauts, gibt’s einen Durchbruch: Das machen wir jetzt! Paff – plötzlich weiss man es. Und natürlich man muss immer etwas schlauer sein als der Gegner und ihn überraschen.

Nochmals: Arbeiten Sie mit höheren Mächten?

Non, aber diese Mächte helfen uns. Ich bin sehr realistisch und praktisch veranlagt. Ich mache eine Sache, und wenn die richtig ist, dann wird einem geholfen. Das ist meine Überzeugung.

Es gibt also doch etwas ausserhalb dem, was wir sehen?

Selbstverständlich! Ich bin überzeugt, dass ich nach meinem Tod in eine andere Welt komme. Das ist toll!

Wo kann man Sie dann treffen?

Ja ... Das kann ich nicht sagen. Einfach in einer schönen Welt. Die gibt’s, die gibt’s!

Woher haben Sie Ihre Energie?

Ja, die kommt ... ich weiss nicht. Was soll ich sagen? Die kommt von einer, von einer poetischen Weltanschauung. Ich bin ja Poet, ned wohr. Und ich kann nicht begreifen, dass man die Poesie der Schöpfung heute zerstören will. Ich schrieb einmal: Wenn irgendwo in der Welt die Schönheit stirbt, stirbt etwas in uns – und die ganze Welt wird ärmer. Das ist für mich ein Prinzip!

Wem Weber immer wieder helfen, sind die Medien. Sie kennt der begnadete Selbstdarsteller aus eigener Erfahrung, weiss genau, was Journalist/innen brauchen. Zu vielen pflegt er persönliche Kontakte, doch stets mit gebührender Distanz. Er weiss, dass die Überzeugung der Vereinnahmung vorzuziehen ist.

Dennoch ist man in vielen Schweizer Redaktionen dem radikalen Öko-Aktivisten gegenüber misstrauisch, berichtet lieber zu wenig als zuviel über ihn. Bei seinen oft wagemutigen Aktionen ist der Streitbare Gastgeber, Reiseleiter, Regisseur, Schauspieler und Aktivist in einem. Weber, über dessen entschlossenem Cäsaren-Gesicht durchausplötzlich ein Spitzbubenschalk huschen kann, liebt das Spektakel – und die Medienvertreter/innen sind ihm dankbar, wenn er so richtig loswettert oder einen uneinsichtigen «Wahnsinnigen» schon mal dramaturgisch einwandfrei am Kragen packt.

Die Medien sind ihm wichtig, aber nicht mehr so, dass er ganz von ihnen abhinge. Auch hier hat sich der Steppenwolf seinen Freiraum geschaffen – mit seinem regelmässig erscheinenden «Journal Franz Weber», in dem neben Kampf- und Aufklärungstexten zu Umwelt- und Tierbelangen, auch Poesie und Philosophie, Aufrufe und grenzwissenschaftliche Themen publiziert werden, die sonst kaum in der Presse zu finden sind. Im Journal wird zudem über sein umstrittenes Engagement für die Wildpferde Australiens und den Einsatz für die Wildtiere unter dem diktatorischen Regime Togos berichtet.

Dort engagiert er sich, trotz jahrzehntelanger und schwerer Menschenrechtsverletzungen durch den Gnassingbé-Clan, für den Schutz des Nationalparks von Fazao-Malfakasso. Da zeigt sich der kompromisslose Tierfreund, den die allgemeine Hilflosigkeit des Mitgeschöpfes Tier zur
Gründung der "Vereinigten Tiernationen" und des "Internationalen Gerichtshof für Tierrechte" treibt. Mit viel Aufwand lässt er beispielsweise Regierungen anklagen und verurteilen, welche die «grausamen Schlachttiertransporten» oder Stierkämpfe tolerieren. -

Herr Weber, Sie wissen, dass dieser Gerichtshof, dem Sie auch als Präsident vorstehen, oft belächelt wird?

Den kann man gar nicht belächeln. Er wird seit 1979 von anerkannten Juristen und Experten geführt! Das ist ein Gerichtshof, der nach höherem Prinzip handelt, nach einer höheren Justiz. Er vertritt die Tiere und prangert schwere Vergehen gegen sie an. Er gibt ihnen innerhalb der menschlichen Institutionen einen Rechtsstatus, der ihnen bisher stets verweigert wurde. Auch den Wildtieren, ohne die es auch keine Menschen mehr geben wird. Das wäre ein Zeichen, dass wir total versagt haben. Wir müssen die Tiere schützen! Deswegen gibt’s die Vereinigten Tiernationen.

Meine Frau Judith unterstützt mich im Stillen

Der Eindruck, dass Franz Weber alles allein auf die Beine gestellt hat, ist eine famose Täuschung, ein bewusster Marketingtrick. Bei der Fondation Franz Weber, die über 230'000 Adressen verfügt, arbeiten - neben den beigezogenen Expert/innen - rund acht Mitarbeitende. Mit dabei zwei ebenfalls nahezu rund um die Uhr engagierte Frauen, welche die "Einmann-Show Franz Weber" mit Rat und Tat unterstützen: Ehefrau Judith (64), die sich liebevoll als den "Schatten meines Mannes" bezeichnet, und Tochter Vera (32). Zurzeit geben gerade Initiativen wie "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!", "Gegen masslosen Bau umwelt- und landschaftsbelastender Anlagen" und "Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten" viel zu tun.

Meine Frau Judith unterstützt mich im Stillen. Sie hat viele Ideen, sie ist total uneigennützig und arbeitet jeden Tag bis Mitternacht. Sie arbeitet auch am Sonntag, und Ferien machen wir seit über 30 Jahren ja beide keine.

Was passiert, wenn Franz und Judith Weber einmal nicht mehr sind?

Ja, dann macht Vera weiter. Sie will das weiterführen. Ich habe ihr dies aber völlig freigelassen. Ich sagte ihr: Weisst Du, dieses Metier ist gefährlich, wahnsinnig, hart, alles zusammen! Sie weiss das. Wenn sie will, kann sie es! Bon, ich hätte ihr ein schöneres Leben gewünscht - aber der Kampf um die Natur und die Tiere ist jetzt ihr Ziel. Sie hat die Hotelfachschule in Luzern abgeschlossen, jetzt gestaltet sie unsere Zeitung, organisiert Anlässe, vertritt uns an Konferenzen und hat kürzlich in Kanada eine Aktion gegen die Robbenschlächter geleitet.

Welchen Ratschlag geben Sie Ihrer Tochter Vera mit auf den Weg?

Sie muss sein, wie sie ist, ned wohr. Sie kann mich als Beispiel nehmen, aber sie soll mich nicht einfach kopieren. Sie muss es auf ihre Art machen, was sie übrigens schon tut. Wichtig ist, dass sie vollständig sich selbst ist. Aber sie muss überzeugt sein davon und mit vollem Elan drauf.

Herr Weber, nochmals zu Ihnen: Haben Sie eine Schwachstelle?

Eine Schwachstelle? Ich bin zu wenig angriffig! Ich bin zu gutmütig!

Und was noch?

Im Augenblick kommt mir nichts mehr im Sinn.

Letzte Frage: Unserer Einschätzung nach kommen gerade in der Umwelt arge Zeiten auf uns zu ...

Jaja, natürlich! Ich meine, ich mache jetzt noch zwanzig Jahre weiter, ned wohr! Nicht vergessen (Weber hebt den rechten Zeigefinger): Ich habe jetzt noch mindestens zehn Jahre, in denen ich mit rabiater Wucht arbeiten kann! Dann bin ich erst 90 Jahre alt. Und dann habe ich nochmals zehn Jahre vor mir, während denen ich – vielleicht – eine gewisse Altersmilde walten lassen werde!

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PS Franz Weber ist fast 12 Jahre später am 2. April 2019 in Bern verstorben. An sein Lebenswerk konnte er sich am Ende nicht mehr erinnern.

Titelbild: Franz Weber im Juni 2007 in seinem Büro in Montreux. | © Foto Ruedi Suter
Erstpublikation auf www.onlinereports.ch

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Frankreich: Feuer frei auf Zugvögel aus Afrika

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Tausende von Zugvögeln werden in der französischen Ardèche von gewalttätigen Wilderern vom Himmel geschossen. Dies unter den Augen französischer Staatsbeamten. Nun haben französische Vogelfreunde die Hilfe des Schweizer Umweltschützers Franz Weber angefordert.

Am 17. März 2001 lud der streitbare Basler zusammen mit Gattin Judith und Tochter Vera Weber die internationale Presse mit Journalisten aus Afrika zu einer Informationsfahrt auf jenen Berg ein, wo die radikalen Jäger den Vogelschwärmen auflauern. Der Konvoi erreichte die Todeszone – unter Polizeischutz.

Von Ruedi Suter

Col de l'Escrinet. Strömender Regen. Die Scheibenwischer der Busse und Polizeiwagen im Konvoi schlagen im Schnellgang das Wasser weg. Zuvorderst hält sich ein Verkehrspolizist tapfer auf seinem BMW-Motorrad. Ihm wird nachgefahren, die Bergtrasse hoch zum Col de l'Escrinet. Der 787 Meter hohe Pass zwischen den Städten Aubenas und Privas im französischen Departement Ardèche ist eine Kampf- und Todeszone. 

Geschossen wird aus allen Rohren

Der Sattel ist seit Jahren fest in der Hand von radikalen Vogeljägern. Im März, wenn die Zugvogelschwärme von Afrika her via Spanien nordwärts fliegen, segeln die abgemagerten Tiere energiesparend knapp über den Sattel hinweg, um in einem leichten Sinkflug weiterzuziehen.

Das ist der Glücksmoment für die hinter Laubwerkständen lauernden Vogeljäger: Sie feuern aus allen Rohren, die Schrotgarben schlagen in die ahnungslosen Vögel und reissen grosse Lücken in ihre Schwärme. Zu Dutzenden fallen die getroffenen Tiere tot oder verletzt zu Boden.

Es sind viele geschützte darunter und insgesamt an die 130 Vogelarten, meistens Ringel- und Turteltauben, dann aber auch Mauersegler, Rauchschwalben, Feldlerchen, Stare, Zeisige, Girlitze, Bachstelzen und sogar Störche sowie Greifvögel, die so vom Himmel geputzt werden. Und dies selbst nach dem 31. Januar, wenn in Frankreich und dem EU-Europa die Jagdzeit längst beendet ist.

Im Visier der Vogeltöter: Zugvogel Girlitz | © Foto by Luis García

Im Visier der Vogeltöter: Zugvogel Girlitz | © Foto by Luis García

Wilderer geniessen den Schutz des Staates

Doch das kümmert die Vogeltöter nicht: Den Wilderern fällt niemand in den Arm, weder die Präfekten und Polizei, noch die zuständigen Ministerien in Paris. Und dies, obwohl nationale und internationale Gesetze sowie französische Gerichtsbeschlüsse vorhanden wären, um das mörderische Treiben auf all jenen Ardèche-Pässen, die von den Zugvögeln überflogen werden müssen, sofort zu stoppen. 

Doch der französische Staat kuscht. So ist der Col de l'Escrinet - einer der wichtigsten europäischen Beobachtungspunkte für Ornithologen, Vogel- und Naturschützer - im letzten Jahrzehnt mehr und mehr zur rechtsfreien Zone verkommen.

Hier herrscht heute die Willkür der Vogelkiller, und wer sich ihnen entgegensetzt, wird laut glaubhaften Zeugen mit Drohungen und Gewaltanwendung vom Berg gejagt und bei Bedarf auch gesellschaftlich fertiggemacht. Besonders den Tier- und Umweltschützern wird schnell mit Gewalt begegnet.

Franzosen hoffen auf die letzte Hilfe: Franz Weber

Deshalb fährt jetzt der Konvoi unter Polizeischutz die Passstrasse hoch. In den beiden Bussen sitzen Umweltschützer und an die 35 Medienvertreter aus Europa und Afrika. Immer wieder müssen die angeschlagenen Scheiben klargewischt werden, um einen Blick auf die Landschaft werfen zu können. Doch dicke Nebelschwaden verhindern die Sicht.

Mit im vorderen Bus sitzen auch die Initianten des riskanten Ausflugs: Der Schweizer Tier- und Umweltschützer Franz Weber mit Frau Judith und Tochter Vera. 

Die französische Vogelschutzförderation FRAPNA (Fédération Rhône-Alpes de la Nature) hatte in ihrer Verzweiflung bei der Fondation Franz Weber um ausländische Hilfe gebeten. Diese wollte der kampferbrobte Basler trotz seiner bald 74 Jahre der FRAPNA und anderen französischen Vogelschutzorganisationen nicht verwehren.

Da zu diesem Zeitpunkt auf dem Col de l'Escrinet ein von der Jägern bedrängter Bauer sein Haus und sein Land verkaufen wollte, versuchte die Fondation im Juni 1999 auf Antrag der FRAPNA das Gelände von der in Frankreich bei landwirtschaftlichem Boden immer zwischengeschalteten staatlichen Genossenschaft SAFER zu kaufen (etwa 165'000 CHF). Ziel: Sicherung der Vogelzüge und Einrichtung eines internationalen ornithologischen Forschungszentrums.  

Auch afrikanische Medienvertreter eingeflogen

Doch die SAFER verkaufte das strategisch wichtige Gelände - an die Vogeljäger. Webers darauf folgende Protestschreiben und Hilfsrufe an die französische Umweltschutzministerin Dominique Voynet, Staatspräsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin blieben bislang ohne Erfolg. Nun lässt er juristisch einen Rekurs wegen Verfahrensfehler abklären.

Gleichzeitig lud er die internationale Presse ein, sich am 17. März 2001 selbst ein Bild «vom feigen und illegalen Zugvogelmassaker» zu machen. Journalisten afrikanischer Fernsehstationen aus Togo und Burkina Faso bezahlte er die Reise: Afrika, dem die Industrienationen besserwisserisch der Schutz seiner Wildtiere nahelegten, dürfe ruhig auch erfahren, wie ungehindert in Europa die Vögel abgemurkst und das gemeinsame Erbe der Zugvögel zerstört würden.

Normalerweise dauert die Fahrt vom Städtchen Aubenas auf den Col de l'Escrinet 20 Minuten. Doch diese Fahrt geht über Umwege und dauert viermal so lang. Am Vorabend wurde dem Carunternehmen derart gedroht, dass es für die Journalistenschar nur noch seine ältesten Busse zur Verfügung stellte. Um Polizeischutz hatte Weber die französische Regierung persönlich angefragt. Bei dem auch für diesen Samstag vorgesehenen Schützenfest auf die Zugvögel würden sich die Wilderer wohl nicht einfach stören lassen.  

Konfrontation im Nebelmeer auf dem Pass l’Ecrinet: Artenschützende + Wilderer, beobachtet von der Polizei

Konfrontation im Nebelmeer auf dem Pass l’Ecrinet: Artenschützende + Wilderer, beobachtet von der Polizei

«Die Zugvögel gehören allen - Europäern und Afrikanern»

Doch jetzt scheint für die Tierschützer alles plötzlich zum medialen Desaster zu werden. In diesem Regen und bei diesem Nebel geht nicht einmal der fanatische Vogeljäger in Stellung, um auf gut Glück in die Wolken zu ballern.

Was, wenn die Wilderer, die Tags zuvor laut Ohrenzeugen bei klarem Himmel zwischen 7 und 9 Uhr morgens 212 Schüsse abgaben, so gescheit sind, sich gar nicht blicken zu lassen? Um so Franz Webers Medienoffensive ins bild- und eindruckslose Nichts stossen zu lassen? Was dann?

Da bliebe dann einfach die Erinnerung an die Pressekonferenz vom Vortag im - natürlich auf einen Vogelnamen getauften - Hotel "Ibis" in Aubenas. An die Brandrede eines plötzlich wieder um Jahre jünger aussehenden Wortgewaltigen, dem der Schalk aus den Augen blitzte, der aber gleichzeitig auch mit seinen beiden neben dem Gesicht nach hinten und vorne schwingenden Fäusten klarmachte, dass nun die Stunde gegen die "debilen Vogelmörder" geschlagen habe - nur schon darum, weil die schützenswerten Vögel «allen Afrikanern und Europäern» gehörten. 

Überzeugter Franz Weber: "Wir gewinnen die Schlacht!"

O-Ton Franz Weber: «Das ist ein Drama! Das ist ein Skandal: Seit 18 Jahren kämpfen hier die französischen Tier- und Umweltschutzorganisationen vergebens um den Schutz der Zugvögel. Das hier ist der Anfang einer Kampagne, die der französischen Regierung die Kraft geben wird, ihre eigenen Gesetze anzuwenden und die europäischen Richtlinien zu respektieren. Wir werden diese Schlacht gewinnen, weil wir alle Mittel ausschöpfen, um den Wilderern das Handwerk zu legen. Wir werden sie kriegen!»

Erinnern würde man sich auch an die Schilderungen der Vertreter der französischen Vogelschutzorganisationen wie Allain Bougrain Dubourg und Pierre Athanaze: Vom alarmierenden Schwund der Tauben von einst 15 Millionen (1980) auf heute 2 Millionen; von der Allmacht der rund 60 «Extremisten» unter den 13'200 Ardèche-Jäger, welche kein Gesetz respektierten, Tierschützer mit Todesdrohungen und schikanösen Anschlägen auf Autos und Heime zum Verlassen der Ardèche zwängen und von der Unmöglichkeit, mit diesen «Radikalen» einen Dialog zu führen oder die Behörden zum Einschreiten zu bewegen. 

"Lieber Ordnung als Recht"

Gegenüber dem FSS und dem Basler Internetportal OnlineReports interpretierte der französische Anwalt Eric Posak die Komplizenschaft des Staats mit den Wilderern als taktisches Kalkül: «Besonders die Präfekte wollen keine gefährlichen Konflikte. Sie wollen lieber die öffentliche Ordnung gewährleisten als das Recht durchsetzen, was zu gewalttätigen Reaktionen der Jäger führen könnte.»

Dies alles wüsste man, wenn sich die illegalen Jäger nicht zeigen würden. Immerhin. Den Medien aber fehlte die Meinung der so massiv Kritisierten, und Filme und Fotos gebe es auch keine.  

Je näher sich der Konvoi seinem Ziel nähert, desto mehr Gendarmen sind zu sehen. Im Führungsbus dudelt ein Handy. Allain Bograin Dubourg bekommt von einem Späher der «Ecolos» (Umweltschützer) mitgeteilt, die aus drei Departementen zusammengezogenen Gegner seien tatsächlich aufmarschiert. Erleichterung bei den Medienvertretern und Organisatoren - die Reise war also nicht umsonst. Die Wagen halten vor einer Kurve - Endstation.

Es giesst immer noch aus allen Kübeln. Doch nun gehts nur noch zu Fuss weiter, vorbei an Mannschaftswagen der nationalen Bereitschaftspolizei CRS, die mit ihren Einheiten strategische Punkte am Col de l'Escrinet besetzten. Webers Bitte um Begleitschutz wurde erhört. Frankreich will nicht riskieren, dass Bilder von zusammengeschlagenen oder womöglich gar angeschossenen Medienvertretern um die Welt gehen. 

Vogeltöter zu Artenschützern: «Haut ab, ihr Schwuchteln!»

Nach der letzten Kurve wird die Sicht frei auf den weitgehend vernebelten Pass. Unser Weg führt sanft hinab zu einem Hügel, der zwischen uns und der Passhöhe liegt. Dort stehen rund 150 Männer und ein paar Frauen unter farbigen Regenschirmen. Sie stehen an der Grenze des umstrittenen Grundstücks, zurückgehalten von CRS-Polizisten in Kampfmontur.

Deren Schilder bilden eine talwärts gerichtete Barriere. Hinter der CRS haben sich die Gendarmen mit ihren Wagen postiert. Sie wollen nur Medienleute zu den Jägern vorlassen. Um diese nicht zu provozieren, müssen die französischen Vogelschützer und die Familie Weber weit oben am Hang zurückbleiben. Als sich die ersten Journalisten den Weidmännern nähern, gibt's Krach. Petarden krepieren, Jagdhörner ertönen, Rufe erschallen: «Haut ab, ihr Schwuchteln!» 

Joseph Adri D. Gnassengbe, TV-Chefredaktor von Togo, ist zuerst bei der CRS-Phalanx und bittet die illegalen Jäger, von denen etliche der extremen Rechten angehören sollen, über die Polizeischilder hinweg um ihre Meinung. «Ich möchte sie verstehen», sagt Gnassenbe, der an der Pressekonferenz bereits fragte, weshalb man in Europa die geschossenen und kaum je verwerteten Vögel nicht alle auch esse? In Afrika würde nur gejagt, um den Hunger zu stillen. 

Wilderer und Jäger in Personalunion: «Wir lassen uns nicht erpressen!»

Einer der Wortführer schreit dem Afrikaner zu, die Medienleute sollten augenblicklich verschwinden, da sie manipuliert seien und nur immer die Jagd mies machten. «Wir lassen uns nicht erpressen, wir lassen uns nicht eine uralte Tradition verbieten!»

Die Umweltschützer erklärten zuvor, Vogelmassaker habe es früher nicht gegeben. Ein Vogelfreund, der die Szene im Regen beobachtete, erklärte gegenüber OnlineReports, die Wilderei habe auch eine soziale Komponente.

Die Jäger würden auch mit ihren Familien und Freunden die Pässe besetzen, picknicken, Vögel abschiessen und diese auch schon Mal zu einer Pastete verarbeiten. Diese Art von Jagd bedeute für eine kleine Minderheit ein Vergnügen, das mit einem Ferienaufenthalt der Reichen in Saint Tropez verglichen werden könne. 

Mit Eiern und Äpfel gegen die Medienvertreter

Das Gespräch zwischen Journalisten und Jägern erschöpft sich schnell. Plötzlich fliegen Eier und Äpfel gegen einen Fotografen und ein Fernsehteam, getroffen wird ein Gendarm. Nach mehr als einer Stunde ist der Spuk auf dem Col de l'Escrinet vorbei. Triefend nass zieht sich die Medienschar unter dem Siegesgeheul der Wilderer aus der Kampfzone am Col de l'Escrinet zurück.

Nicht ein Vogel geschweige denn ein Schwarm hat sich in der Ardècher Nebelsuppe zeigen lassen. Zum Glück für die Medien sind die «Jäger» aufmarschiert, um sich und der Welt lautstark klarzumachen, dass sie weiterhin nach Lust und Laune Vögel abschiessen werden. Und das werden keine Tontauben sein - bis der Staat durchgreift.

Titelbild: Franz Weber an der Pressekonferenz beim Col de l’Escrinet | © Foto by Ruedi Suter

Erstpublikation: www.onlinereports.ch

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Indigene Völker: Bitte um Schweizer Nothilfe

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Die Schweiz ist mit der Nutzung von Rohstoffen am drohenden Untergang der letzten Urvölker mit beteiligt. Nun soll sie eine führende Rolle in der Unterstützung und Anerkennung der Eingeborenenvölker einnehmen. Dies wurde im Sommer 1995 an einer internationalen Konferenz in Männedorf mit Indigenen bei Zürich gefordert – als Augen öffnender Auftakt zur im Dezember gestarteten UNO-Dekade der indigenen Völker und zum Start einer neuen Allianz mit den weltweit bedrängten Urvölkern wie beispielsweise die Hadzabe im nördlichen Tansania.

Von Ruedi Suter – FSS

Die jahrhundertealte Missachtung, Fremdbestimmung und Zerstörung eingeborener Kulturen und ihrer Tierwelt gehört unterdessen zur leidvollen Biographie aller Urvölker. Dies unterstrichen die Schilderungen aller Frauen und Män­ner, die als indigene Spezialisten in die Schweiz geladen waren, um vor der UNO in Genf und in Männedorf zunächst von den ihre Völker bedrohenden Problemen innerhalb ihrer Staaten zu berichten. 

Es reisten an und sprachen Vertreter und Vertreterinnen der Waunaan (Kolumbien), der Maori (Aotearoa, also Neuseeland), der Adivasi (Indien), der Ogoni (Nigeria), der Bougainvillians (Papua Neuguinea ), der Massai (Kenia-Tansania), der Karen (Thailand-Burma), der Aguaruna (Peru), der Aborigines (Australien) und der B 'laans, T'bolis, Igorot und weitere Ethnien von den Philippinen. Es sind Menschen von Völkern, welche vielfach die ihnen aufgezwungene Staatsmacht als Kolonisierung empfinden. 

Plünderung statt Nachhaltigkeit

Dies wurde bei ihren Schilderungen klar. Fazit der Tagung: Das rücksichtslose Vorrücken der Zivilisation und ihrer Weltwirtschaft in die abgelegensten Gebiete führt weiterhin zur Entwurzelung und zum Untergang ganzer Völker, verletzt nach wie vor laufend Menschenrechte, vernichtet immer noch tagtäglich indigene Lebensräume.

Die von den Urvölkern über Jahrtausende nachhaltig genutzten Berg-, Wald-, Steppen-, Wüsten- und Insellandschaften werden geplündert und hemmungslos umfunktioniert: In Stauseen, Ölfelder, Erzminen, Uranhalden, in Atomwaffentestgelände, in Städte, Industriekomplexe, Giftmülldepo­nien, Strassennetze, Missionen, Jagd­blocks, Farmen und Plantagen.

Oder in Militärsperrzonen, Kahlschlaglandschaften, Touristenparks, Hotels, Golfplätze und Feriendörfer. Und da die natürlichen Lebensräume der Indigenen häufig noch eine ungeheure Vielfalt an Nutzpflanzen und Tieren aufweisen, gleichzeitig aber weltweit täglich gegen 70 Arten aussterben, greifen neuerdings auch die Vertreter der Gentechnologie zu, um noch rasch Teile der von den Urvölkern bewahrten Arten­vielfalt zu nutzen und patentieren zu lassen.

Wir Konsumenten helfen mit zu zerstören

Triebkräfte dieser modernen Eroberungszüge sind in der Regel transnational operierende Organisationen und Konzerne, denen die jeweiligen Landesregierungen und Machteliten bei Bedarf mit Sondergenehmigungen, juristischen Winkelzügen oder Militärgewalt zur Hand gehen. Und die Profiteure? Das sind nicht nur die oben genannten Wirtschaftslokomotiven, das sind auch wir, die Konsumenten und Konsumentinnen in den industrialisierten Ländern.

Sich dieser Zusammenhänge schon lange bewusst sind in der Schweiz die Initianten und Initiantinnen der in ihrer Art erstmaligen Konferenz «Indigene Völker, Umwelt und Entwicklung»  die kleinen, international vernetzten und – wie der FSS – ehrenamtlich wirkenden Aktionsgruppen und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wie die Ethnologen-Organisation IWGIA, die lndianerunterstützungsorganisation Incomindios, die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und der Bruno Manser Fonds (BMF).

Kleine Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zeigten den Weg

Sie waren es – und nicht etwa die grossen, teils erst später mitmachenden Umwelt-, Hilfs- oder Kirchenorganisationen –, welche die Notwendigkeit erkannten, indigene Fachleute aus aller Welt mit Vertretern von Schweizer Regierungsstellen, Umwelt- und Hilfsorganisationen zusammenzubringen, um gemeinsam Kriterien für die Anerkennung, die Zusammenarbeit und die Stärkung der indigenen Gemeinschaften auszuarbeiten. 

Die zunehmend ihr Selbstbewusstsein zurückgewinnenden Urvölker und ihre Alliierten in den Industriestaaten versuchen sich nun auf anderen Wegen Gehör zu verschaffen. Wie früher für den Tier- und Naturschutz eine Lobby ins Leben gerufen wurde, soll heute für die Indigenen (und damit für die Erhaltung der heute in aller Munde liegenden Biodiversität) eine breite Interessenvertretung aufgebaut werden — aus lndigenen-, Menschenrechts-, Umwelt-, Hilfs-, Konsumenten- und Kirchenorganisationen. Aber auch, wo realisierbar, aus Vertretern und Vertreterinnen von Staat und Wirtschaft.

Für eine neue Partnerschaft

Dass diese ansatzweise schon vorhandene «neue Partnerschaft» rasch realisiert und schnell Erfolge erzielen muss, war am mehrtägigen Treffen in Boldern klar. Die Naturvölker stehen mit dem Rücken zum Abgrund. Ebenso die Wildtiere, ohne welche Jäger- und Sammlervölker keine Zukunft haben.

Gefordert ist nach dieser Tagung nun auch die Schweiz  (siehe «Neue Allianz ist ... »). Als eine Zentrale internationaler Wirtschafts- und Bankenbeziehungen, als Bezügerin von Rohstoffen und Lebewesen aus indigenen Gebieten (Wasser, Erdöl, Holz, Gold, Diamanten, Uran, Metalle, Heilpflanzen, Tiere etc.), als Entwicklungshelferin und als Heimat reisefreudiger Touristinnen und Touristen trägt sie eine grosse, bislang kaum wahrgenommene Mitverantwortung am Schicksal der Urvölker.

Schweiz soll führende Rolle einnehmen

Beim Bund wie auch bei etlichen der bislang die indigenen oder autochthonen Völker kaum wahrnehmenden Hilfswerke, Kirchen und Umweltorganisationen setzt sich – wie zuvor bereits beim WWF – die Einsicht langsam durch, die Anliegen der bedrohten Urvöl­ker besser wahrzunehmen und in ihre Arbeit einfliessen zu lassen.

Die hierzu nötigen Empfehlungen und Richtlinien werden den Verantwortlichen von den Tagungs­Organisatoren später zugestellt. Diese haben sich jetzt ganz der Lobbyarbeit für die indigenen Völker verschrieben. Mit hohem Anspruch: «Die Schweiz muss so rasch als möglich eine international führende Rolle in der Unterstützung und Anerkennung indigener Völker einnehmen.»

 

Neue Allianz ist lebensnotwendig

Die Schweiz, Musterbeispiel einer funktionierender Föderation aus Minderheiten, soll mit den Urvölkern eine neue Allianz bilden. Die zuständigen Ämter und Organisa­tionen erhalten demnächst Richtlinien, die an der Tagung mit lndigenen ausgearbeitet wurden. Beispiele möglicher Empfehlungen: 

• Ausarbeitung einer griffigen Schweizer Politik unter Beizug Indigener zur Unterstützung der Urvölker. 

• Hilfe zur Durchsetzung der indigenen Selbstbestimmung in den Bereichen Politik, Landrechte, Kultur, und Wirtschaft. 

• Respektierung spezifischer Rechte der Urvölker bei Territorien, eigener Entwicklung und Erhaltung der Biodiversität. 

• Einbezug der Indigenen von Beginn an in Umwelt- und Entwicklungsprojekte. 

• Verzicht oder Verhinderung von Projekten, Aktivitäten oder Geschäften (z.B. Waffen, Giftmüll, Jagd, Fischerei, Tourismus), die in irgendeiner Weise gegen den Willen indigener Völker deren Existenz und Lebensraum beeinträchtigen oder gefährden.

• Respektierung und/oder Verinnerlichung indigenen Wissens, indigener Weisheit, Spiritualität und Zeitempfindens durch die Schweizer Partnerinnen und Partner. 

• Aufbau einer Lobbyarbeit auf allen Ebenen innerhalb der Schweiz und durch Schweizer Regierungsstellen bei der UNO und anderen internationalen Organisa­tionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF). 

• Übernahme einer international führenden Rolle in der Unterstützung und Anerkennung indigener Völker.

 

WAS IST EIN URVOLK? 

Man nennt sie Urvölker, indigene oder autochthone Völker. Noch leben, je nach Definition, zwischen 300 und 500 Millionen indigene Menschen in rund 5'000 Völkern auf der Welt. Die bekanntesten sind u.a. die Indianer (beide Amerikas), Adivasi (Indien), Aborigines (Australien), «Pygmäen» (Zentralafrika), Maori (Aotearoa-Neuseeland), Penan (Sarawak), Tuareg (Sahara), Inuit (Kanada, Alaska) und Sami (Skandinavien).

In Afrika gehören sicher die Hadzabe (Tansania), «Pygmäen», Tuareg und San (Buschleute) dazu, im weiteren Sinne aber auch Nomadenvölker wie die Massai und viele andere Völker. Zur Definition gibt es strengere und weniger strenge Ansichten. Sind nur Jäger- und Sammlervölker oder auch alt eingesessene Rindernomaden Indigene?

Zwei wichtige Merkmale: lndigene sind Menschen, die ein Gebiet bereits vor der Eroberung oder Festlegung der heutigen Staatsgrenzen bewohnten; ihre Lebensweise zeichnet sich durch eine ganzheitliche, spirituelle Weltanschauung und den Einklang mit der Natur aus, von dem die Industriemenschen wieder lernen können. fss

Titelbild: Hadza beim Bogenschuss in Tansania | © Foto by Ruedi Suter

Mkomazi – die unglaubliche Wiedergeburt eines Wildreservats

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Das ist die erstaunliche Geschichte eines Wildreservats, das bereits aufgegeben und beinahe leergewildert worden war. Doch dank dem Teamwork des Tansaniers Hezekiah Mungure, dem Engländer Tony Fitzjohn und der Amerikanerin Kirn Ellis erlebt das nordtansanische Mkomazi-Wildreservat (3'200 Quadratkilometer) an der Grenze zum kenianischen Tsavo-Nationalpark eine fast unglaubliche Wiedergeburt. Eine Reportage über die Schutzerfolge in einer abgelegenen Gegend, die den Wildtieren wieder zurückgegeben werden soll.

Von Ruedi Suter – FSS

Es ist April, und die Anfahrt zum Mkomazi verspricht Schwierigkeiten. Immer noch drohen schwere Regenwolken über dem Land. Es hat wieder geregnet letzte Nacht, hat wieder die fruchtbare Erde des Kilimanjaros auf die Strasse zwischen Arusha und Moshi geschwemmt. Die abgeholzten und beackerten Hänge der auslaufenden Hänge des Kilis leisten den sintflutartigen Regenfällen nur noch geringen Widerstand.

Ganze Felder hat es weggespült. Unheilvolle Folgen des Bevölkerungsdrucks auf den fruchtbaren Berg. Wo noch etwas Platz ist, werden Busch und Bäume abgeholzt, werden Felder angelegt. Der Mensch muss essen. Die unteren Hänge des riesigen Kilimanjaros wirken schon viel zu kahl. Wie wird es hier wohl in zehn Jahren aussehen? 

Das Tempo muss reduziert werden, zu viel Erde auf der Asphaltstrasse. Links und rechts waten die Fussgängerinnen und Fussgänger im knöcheltiefen Schlamm. Barfuss die meisten und vorsichtig, weil der Grund rutschig wie Seife ist. In den Häusern mit festgestampftem Boden ist jetzt die Erde aufgeweicht. Lange kam kein Regen, jetzt regnet es zuviel. So viel wie seit 20 Jahren nicht mehr. Unberechenbar ist sie geworden, die Natur. Auf den jetzt grünen Feldern der Ebenen hacken Frauen und Männer zwischen den kniehohen Maisstauden das hochschiessende Unkraut um. Auch der Mais hat jetzt zuviel Wasser, er wird nie mehr richtig wachsen.

Ein pfiffiger und effizienter Parkchef

Von Arusha nach Same braucht man heute nur noch etwa drei Stunden. Auf zumeist guten Asphaltstrassen. In Same, am südöstlichen Fusse des Pare-Gebirgs, ist die Abbiegung für ins Mkomazi Game Reserve. Man fährt auf der alten Strasse Richtung Tanga, die früher nördlich der Pare-Berge entlang führte. Zirka fünf Kilometer nach Same steht neben der Naturstrasse – sie bildet weitgehend auch die südliche Grenze des Schutzgebietes - ein steinernes Schild: «Hier beginnt das 1951 gegründete Game Reserve». 

Unweit davon steht unter schattigen Bäumen das Hauptquartier der Mkomazi-Ranger. Ein paar Häuser, eine abgetakelte Raubkatzenfalle, ein früher von Elefantenwilderern beschlagnahmter Landrover mit platten Pneus, ein Haufen neuer Backsteine und ein neuer Toyota Land Cruiser. Chef der nur aus 26 Männern bestehenden Rangertruppe des 3'200 Quadratkilometer grossen Reservats ist Hezekiah Mungure. Ein pfiffiger, humorvoller und effizienter Tansanier, der an den Hängen des Mount Meru bei Arusha aufgewachsen ist.

Der Mehrfrontenkampf des Hezekiah Mungure

Seine Karriere begann er 1968 in der Wildlife-Division, welche sich um die 15 Wildreservate des Landes kümmert. Mungure spezialisierte sich in der Wildererbekämpfung, war in Tabora, Mwanza, im Selous, auf Rubondo, in Dar es Salaam in der Game Divison und schliesslich wirkte er als Regional Game Officer in Moshi, wo er sich mit der Wiederbelebung des im Laufe der letzten Jahrzehnte völlig vernachlässigten, beinahe leergewilderten und von unzähligen Rinderherden heimgesuchten Mkomazi-Wildschutzreservats zu befassen begann. 

Die tansanische Regierung wollte den an den kenianischen Tsavo-Nationalpark angrenzenden Mkomazi nicht aufgeben, obwohl ihm nahe des im mittleren Südteils gelegenen Njiro-Postens 1968 bereits ein grosses Stück ausgerissen und den Bauern zur Bewirtschaftung übergeben worden war. 1988 hob die Regierung das Mkomazi-Wildreservat­Rehabilitationsprojekt aus der Taufe – und ernannte Hezekiah Mungure zu dessen Direktor.

Viel Widerstand in der Bevölkerung

In Mungures einfachem Büro stehen ein Tisch mit einem Stoss Papier darauf, daneben ein Funkgerät, ein kleiner Kasten, drei Stühle, an der Wand eine Parkkarte und Postkarten, sonst nichts. Während er in blumigen Bildern über seine Arbeit erzählt, wechselt sein Gesichtsaudruck zwischen fröhlich und bedrückt. «Manchmal», sagt er, «meine ich verrückt zu werden mit dieser Schufterei. Wir sind zu wenige, haben kaum Mittel und kämpfen gegen alle – gegen die Wilderer; gegen die Bauern, die im Reservat anpflanzen; gegen Hirten, die im Schutzgebiet verbotenerweise ihre Rinderherden weiden lassen und gegen die Natur, welche die damals zur Kolonialzeit angelegten Stauseen austrocknen und die Strassen völlig verfallen liessen. Doch nicht genug: Den härtesten Kampf müssen wir gegen die lokalen Politiker führen, Sie halten das  Reservat schlicht für überflüssig. Die Führer hier sind für die Menschen, nicht für die Tiere. Sie wollen nur Land. Kurzum, wir mussten hier ganz von vorne anfangen.»

«Hier schossen die Somali-Wilderer alle Elefanten»

Mungure steht auf, zeigt auf der Karte. Was für ein riesiges Gebiet! «Dafür sollte ich mindestens 40 Ranger haben», sagt der Mkomazi-Chef. Er hat aber nur 26 und für die Kontrollfahrten nur ein einziges Fahrzeug. Die vier alten Rangerposten werden jetzt renoviert, sieben neue sind an strategisch wichtigen Punkten geplant Mungures Zeigefinger gleitet an die südöstliche Parkgrenze, zum Umba-Fluss, in Richtung Tanga und zum Indischen Ozean. «In dieser Gegend wüteten die Somali aus Tanga. Hier schossen sie alle Elefanten. Jetzt haben wir aber Ruhe, auch dank des Cites-Banns.»

Mkomazi, früher Wildschutzgebiet, später Nationalpar  | © Map by Wikipedia)

Mkomazi, früher Wildschutzgebiet, später Nationalpar  | © Map by Wikipedia)

 

Jetzt führt· der Mkomazi-Chef seine Gäste (die FSS-Mitglieder René Binder, Alex Rechsteiner und den Berichterstatter) zur Vorratskammer. Hier liegen Mais und Zucker. «Das haben wir mit dem Geld des FSS kaufen können. Die Nahrung ist die erste Voraussetzung dafür, dass meine Männer überhaupt richtig arbeiten können. Wir hatten häufig nicht genug zum Essen. Wir haben einfach zuwenig Geld. Ohne Essen geht aber nichts. Eure Hilfe ist darum äusserst wertvoll.»

«Müde und manchmal auch sehr allein»

Man habe schon etliches erreicht, meint Mungure: Im Reservat grasen immer weniger Rinderherden, die Wilderei sei einigermassen im Griff, viele Pisten seien wieder befahrbar, und jetzt kämen langsam langsam auch wieder die Wildtiere zurück. Mungure reicht uns das unerlässliche Gästebuch: Nur 24 Menschen haben das Reservat zwischen dem 1. Januar und 1. Mai 1992 besucht. Zum Schluss gesteht Hezekiah Mungure, er fühle sich manchmal «sehr müde und manchmal auch sehr allein».

Vor allem der fehlenden Mittel, aber noch mehr des politischen Drucks wegen, der von der umliegenden Bevölkerung auf ihn und seine Leute ausgeübt würde. «Die Leute verstehen den Sinn eines Reservates noch nicht. Ohne Tony Fitzjohn hätte ich hier wahrscheinlich längst schon aufgegeben.»

Besiedlung und Viehherden als Dauergefahren

Nächstes Ziel: Das Kisima-Camp. Es liegt mitten im Reservat, ist seit über zwei Jahren das neue Zuhause von Tony Fitzjohn und seiner Lebensgefährtin Kirn Ellys. Rechts erheben sich die schon ziemlich kahl geholzten Pare-Mountains. Ein imponierender Gebirgszug, der im Osten von den Usambara-Bergen abgelöst wird. Die Piste ist gut. Links, Richtung Kenia, das Reservat mit weiten Ebenen und blauen Bergen.

Plötzlich aber reiht sich links ein Feld ans andere bis tief ins Land hinein – es ist das Gebiet, welches die Politiker der Bevölkerung öffneten. Eindruckvolles Beispiel dafür, wie rasch und gründlich Wildnis vom Menschen in Beschlag genommen werden kann. Es bräuchte nur wenig Zeit, und die Naturschutzgebiete des Landes wären bei ihrer Aufhebung im Nu bevölkert, besiedelt, bepflanzt, das Wild gejagt, vertrieben oder eben ausgerottet.

Nach dem besiedelten Reservatsgebiet führt eine Piste links in den Busch zum Njiro-Posten. Weiter führt jetzt die Piste durch dichten Busch, in dem – ausser ein paar Dik-Dik und 

Hornbills keine Tiere zu sehen sind. Hier lebten einst zahlreiche Schwarze Nashörner und grosse Elefantenherden. Nashörner scheint es heute keine mehr zu geben, und der Elefantenbestand wurde um schätzungsweise 75 Prozent dezimiert.

Mit Insektiziden gegen die Raubkatzen

Kaum mehr zu sehen sind auch Geparde. Wildhunde sind ganz aus dem Wildreservat verschwunden, auch wenn im Mai 1991 zwei an der kenianischen Grenze gesehen wurden. Kommt hinzu, dass in diesem Gebiet zahlreiche Raubkatzen, vorab Löwen, Geparden und Leoparden von den Hirten mit einem Insektizid vergiftet wurden.

Hingegen leben im Mkomazi unter anderem noch Giraffen, Impala, Kleine Kudus, Zebras, Kuhantilopen, Gerenuks, Grant Gazellen, Eland-Antilopen, 233 Vogelarten, Büffel, Löwen und Leoparden. Lange, vergleicht René Binder, der das Reservat seit lange kennt, seien die Tiere der Wilderei wegen extrem scheu gewesen. Erst in letzter Zeit flöhen sie nicht mehr, wenn ein Fahrzeug auch nur schon in der Ferne auftauche.

Vier Fahrstunden nach der Abfahrt in Arusha öffnet sich der Busch und lässt den Blick frei auf einen Berghang mit einem unauffällig in die Landschaft eingepassten Steinhaus: Das Anwesen des Tierschützers Tony Fitzjohn und seiner Lebensgefährtin, der Filmerin Kim Ellys. Sandalen, Shorts, nackt-sehniger, braungebrannter Oberkörper, mittellanges Haar und gutmütige Augen in einem kantig-harten Gesicht – Tony Fitzjohn begrüsst herzlich die Ankommenden und heisst sie im Schatten des Esszelts Platz nehmen.

Tony Fitzjohn - Raubein mit sanftem Herzen

Von hier aus schweift der Blick über die nördlichen Berge des Reservats bis hin zur unsichtbaren Grenzlinie zwischen Kenia und Tansania. Von hier aus können an klaren Tagen sogar der Kilimanjaro und die Taita-Hills gesehen werden. Am Fusse des Kisima-Camps wurden zwei quer zueinander liegende Landepisten für Tonys Kleinflugzeug in den Busch geschlagen. 

Tony Fitzjohn vor altem Game Reserve-«Schild» | © Foto by WildlifeNOW

Tony Fitzjohn vor altem Game Reserve-«Schild» | © Foto by WildlifeNOW

 

Wer ist dieser Mann, was tut er hier in dieser gottverlassenen Gegend? Der 47-jährige Engländer gibt ohne Umschweife in seiner rauen Sprache Auskunft. Tony Fitzjohn lebt und arbeitete 18 Jahre lang mit George Adamson zusammen, in Kora, einem Reservat in Nordkenia. George Adamson, zusammen mit seiner Frau Joy durch die erzählte und verfilmte Geschichte «Die Löwin Elsa» bekannt geworden, beschäftigte sich mit der Wiederauswilderung von durch Menschen aufgezogenen Löwen.

Fitzjohn half Ihm  dabei ebenso wie beim Aufbau des Kora-Reservats. Die beiden wurden zu guten Freunden und Partnern. Nach zehn Jahren Lehrzeit startete Fitzjohn sein eigenes Programm: Die Wiedereinführung von Leoparden in Kora. 1985 stiess die Filmerin Kirn Ellis zum Duo, um deren Arbeit schriftlich und filmisch zu dokumentieren. Als Adamson 83-jährig durch Banditen am 20. August 1989 erschossen wurde, verloren Tony und Kim einen engen Freund.

Tansanische Regierung froh um Hilfe

Auf Drängen Adamsons hatte Fitzjohn jedoch bereits damals ein neues Gebiet gesucht, wo er bedrohte Tiere wieder heimisch machen konnte. Seine Wahl fiel auf das seit 1966 völlig vernachlässigte und vergessene Mkomazi­Reservat Dies auch darum, weil die tansanische Regierung an der Wiederbelebung dieses Gebietes sehr interessiert war und

dem Engländer jede mögliche Unterstützung versprach. Fitzjohn setzte sich mit Mungure in Verbindµng. Daraus entstand nicht nur eine Freundschaft, sondern auch eine effiziente Zusammenarbeit, die zu einer verhältnismässig raschen Erholung des Reservats führte. Das Resultat des über zweijährigen Aufbaus provozierte beim nationalen Direktor der Wildlife Division, Costa Mlay, anlässlich seines Besuchs im Mai eine uneingeschränkte Anerkennung.

Zuerst musste das Reservat wieder hergestellt werden

Nicht ohne Grund, war doch das Trio Mungure-Fitzjohn-Ellis tatsächlich sehr rührig.  Zunächst wurden die Herden aus dem Reservat getrieben und der Wilderei wo immer nur möglich der Riegel geschoben. Dabei setzte Fitzjohn sein Flugzeug ein. Er meldete Mungure per Funk, wo sich Rinder, Hirten, Sammler von Halbedelsteinen und Wilderer aufhielten. Mungure und seine Leute sorgten dann am Boden für Ordnung.

Bald spürte die umliegende Bevölkerung, dass im Mkomazi nicht mehr einfach alles gemacht werden konnte. «Wir sind darum nicht gerade populär hier», bedauert Fitzjohn. In dieser Zeit wurde mir aber auch klar, dass der Mkomazi zunächst wieder zum Reservat gemacht werden musste, bevor ich überhaupt an eine Wiedereinsetzung von Geparden und Wildhunden denken konnte. Denn deswegen hatte ich ja schliesslich im Auftrag der tansanischen Regierung dieses Gebiet hier ausgesucht.»

Hilfe aus Europa und den USA

Derweil Tony Fitzjohn und Kim Ellis im abgelegenen Kisima im Herzen des Mkomazi mit viel Mühe eine eigentliche Basis mit Haus, Zelten, Landepisten und einer kleinen Werktstatt errichteten, mussten sie auch gleichzeitig Geld in Europa und den USA beschaffen. Dies wurde mit dem George Adamson Wildlife Preservation Trust (England) und den später gegründeten Tony Fitzjohn/George Adamson African Wildlife Preservation Trusts (USA und Canada) wie auch mit öffentlichen Auftritten und Filmen bewerkstelligt.

Persönliche Kontakte zu Filmgrössen in Hollywood zahlten sich dabei besonders aus. "The Mkomazi Projekt" wurde so auch in Amerika und Europa bekanntgemacht. «Auf diese Weise», so Fitzjohn, «erhielten wir bis heute jährlich rund 20'000 Pfund und 180'000 Dollars. «Das Geld wurde gleich wieder investiert – in Saläre, Nahrungsmittel, Treibstoff, Baumaterial, vier Geländefahrzeuge, ein Lastwagen, ein Traktor, Solar- und Windanlagen für Stromgewinnung, in den Bau von Landepisten, in die Wiederherstellung von fast 500 Pistenkilometer und anderes mehr.

Keine Wildtiere: Von Rinderherden und Wilderei verdrängt | © Foto by Kimali Markwalder

Keine Wildtiere: Von Rinderherden und Wilderei verdrängt | © Foto by Kimali Markwalder

Stark ausgebautes Funknetz

«Kommt mit!» Fitzjohn geht zu seinem dachlosen Uralt-Landrover, an dem nur noch Motor, Schaltung und Räder zu funktionieren scheinen, lässt seine Besucher aufsteigen und fährt sie auf einem kürzlich angelegten, halsbrecherisch steilen Weg zum nahen, 3'500 Fuss hohen Kisiwani-Berg hoch. Von hier oben sieht man weit ins Land hinaus, eine prächtige Sicht auf die benachbarten Berge und Täler.

Hier oben steht aber auch eines der wichtigsten Hilfsmittel: Ein Relais-Turm für den Funkverkehr im ganzen Reservat zwischen Fitzjohn, Mungure und seiner Truppe. Zwei feste Funkstationen sind in Fitzjohns Basiscamp Kisima und im Mungures Hauptquartier Zange. hinzu kommen noch die sechs Walkie-Talkies der Ranger sowie die Funkgeräte in den Fahrzeugen und im Flugzeug. Die Funkverbindung steigere nicht nur enorm die Arbeitseffizienz, sie hebe auch ganz wesentlich die Moral, sagt Tony: «Denn die ist schon manchmal ziemlich nahe dem Nullpunkt.»

Video-Aufklärung für die Bevölkerung

Zur Hebung der Moral tragen auch die Uniformen bei, welche die kanadische Regierung schickte, sowie das vom FSS finanzierte Bonus-System für festgenommene Wilderer oder beschlagnahmte Schlingen und Waffen. Des weitern führten Fitzjohn und Mungure die kontrollierten Frühbrände ein.

Und sie rüsteten einen kleinen Suzuki mit Video aus, um der Bevölkerung entlang des Reservats Sinn und Zweck des Tier- und Naturschutzes vor Augen zu führen. Gleichzeitig helfe man ihr mit Medikamenten. Fitzjohn: «Die Leute müssen einen  direkten Nutzen aus dem Reservat ziehen können. Und wir finden tatsächlich auch weniger Schlingen als früher.» 

Es fehlt an allen Ecken und Enden

Unterdessen gründeten Freunde auch die «Friends of Mkomazi», mit deren Hilfe schon einige kleinere Anschaffungen getätigt wurden. Und schon scheut das Wild nicht mehr so. Trotz der relativ breiten Unterstützung fehlt es den Mkomazi-Leuten immer wieder an finanziellen Mitteln, betonen Mungure und Fitzjohn.

Zuweilen reiche nicht einmal der Treibstoff, um mit dem zurzeit einzigen Patrouillenfahrzeug Überwachungsfahrten in entlegene Reservatsecken zu unternehmen. Um das Reservat auch für Touristen attraktiv zu machen, müsste das Pistennetz verbessert und vergrössert werden. Vor allem aber sollte das Schutzgebiet so gut überwacht werden können, dass sich das Wild wieder sicher fühlen kann. 

In dieser Beziehung geben sich Tony Fitzjohn, Kirn Ellis und Hezekiah Mungure zuversichtlich. Das Wild, vor zwei Jahren noch schrecklich scheu, lasse Menschen und Fahrzeuge bereits erstaunlich nahe an sich herein. Am meisten Freude bereiten Fitzjohn die Elefanten: «Als ich hier anfing, zählte ich mit dem Flugzeug sage und schreibe nur elf Elefanten im Reservat. Heute dürften sich bereits 200 bis 300 permanent im Gebiet aufhalten. Wir haben hier aber auch schon gegen 600 gezählt.»

Neue Gesetze notwendig

Und die Zukunft? Der FSS will auch 1993 die Mkomazi-Ranger und ihre Familien mit CHF 2'000 unterstützen. Das Verhältnis zu den tansanischen Behörden sei derart «freundschaftlich», dass man auch von dieser Seite weiterhin auf volle moralische Unterstützung rechnen dürfe, meint Fitzjohn. Am Mkomazi hänge man auch darum, weil in ihm schon Generationen von Wildhütern ausgebildet wurden. Um das Reservat allerdings selbsttragend zu machen, müsse es für den Tourismus attraktiver gestaltet werden.

Nein, ein Nationalpark soll Mkomazi nicht werden, aber Gesetze müssten her, die den Schutz des Reservats gewährleisteten. In diesem Zusammenhang muss aber das Engagement des neuen Direktors of Wildlife, Muhidin Ndolanga, abgewartet werden. Er übernimmt in Dar es Salaam den Posten von Costa Mlay, der dem Mkomazi sehr gewogen war.

Vorgesehen ist zudem die Errichtung von Campingplätzen und einer Lodge für betuchte Kundschaft. Tony Fitzjohn: «Pläne haben wir noch haufenweise, aber realisieren können wir sie nur langsam. Mit viel Geduld. Und nur Schritt für Schritt.»

Noch ahnen wir nicht, dass der Mkomazi später doch noch zum Nationalpark werden wird – mit dem ersten und rund um die Uhr bewachten Rhino-Schutzgehege Tansanias.

 

Mkomazi-Wildreservat
Schätze und Schwierigkeiten

Lage: Nordtansania, an der Grenze zu Kenia und seinem grössten Nationalpark, dem Tsavo. Nordöstlich der Pare-Berge. Gründung: 1951. Fläche: 3'200 km2.  Zustand: In einer Erholungs- und Konsolidierungsphase (1992). Hauptquartier: Zange Gate. Leiter des Reservats: Hezekiah Mungure. Hauptprobleme: Rinderherden, illegaler Feldanbau, Wilderei. Tierbestand: Sich erholend oder wieder zuwandernd. Tourismus: Kleine Lodge und Zeltplätze geplant.

Zwei Tierschätzungen wurden 1991 im Mkomazi Wildresetvat vom Tanzania Wildlife  Conservation Monitoring vorgenommen: die erste während der Regenzeit im Juni, die zweite während der Trockenzeit im Oktober. Resultate: Büffel in der Trockenzeit 4804 ( Regenzeit 11 ); Eland 2506(102); Elefant 273 (l719); Elefanten-Skelette: während der Regenzeit des Vegetation wegen nicht sichtbar, (46); Giraffe 945 (561); Grant-Gazelle 382 (176); lmpala 0 (714 ); Kongoni 797 (23); Kleiner Kudu 207 (22); Oryx.325 (77); Strauss275 (215); Rietbock 48 (11); Warzenschwein 526 (78); Zebra 2531 (1 '030) . 

Die Schätzungspräzision variiert von Tierart zu Tierart. Gesichtet wurden im Mkomazi zudem eine kleine Anzahl von Gerenuks und Dik Diks, von Füchsen und Löwen.

Titelbild: Mkomazi-Berge | © Foto by Kimali Helen Markwalder

Weiterführende Links
- Brief History of Mkomazi Game Reserve (Pre- 1969)