Wildtierhandel: Flucht in die Digitalwelt

Die aktuelle Corona-Pandemie lenkte die Aufmerksamkeit auf den so lukrativen wie illegalen Wildtierhandel. Dieser brach ein, auch weil die Überwachung der Grenzen verstärkt und die Wildtiere gehäuft als gefährliche «Virenbomben» wahrgenommen wurden.

Kriminelle Wildtierhändler haben sich unterdessen vermehrt in der digitalen Welt festgesetzt. Internet-Giganten wie Facebook und Google halten in einer Koalition dagegen, doch weichen die Kriminellen immer wieder aus. Jetzt agieren sie auch in den Social Media.

Derweil verlieren die Wildnisse und Meere dieser Welt weiterhin ihre Artenvielfalt. Ohne einen entschlosseneren Kampf der Staaten gegen Wilderei und Wildtierhandel riskiert die Welt in absehbarer Zeit die Ausrottung ihrer letzten wild lebenden Tiere.

Von Ruedi Suter - FSS

Januar 2020 – jählings war der Wildtierhandel in aller Munde. Ein Markt mit zum Verzehr feilgebotenen Wildtieren in China, in der 8-Millionenstadt Wuhan (Provinz Hubei), galt als Startort der Covid-19-Pandemie, die seither die Welt in Atem hält.

Die Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, so hiess es zuerst, sei höchstwahrscheinlich von einem der toten oder lebenden Wildtiere im Markt auf den Menschen übergesprungen. Schuppentiere, Fledermäuse oder Schlangen wurden als Virusträger verdächtigt. Hinzu kamen Mutmassungen über einen möglichen Laborunfall oder die bewusste Freisetzung einer Biowaffe.

Speise, «Heilmittel», Statussymbol

Wie auch immer – die Pandemie wirkte sich auch auf den illegalen Wildtierhandel aus. Dieser brach ein, weil der Welthandel einbrach und die Handelsrouten durch die intensivierten Kontrollen unsicher wurden für kriminelle Machenschaften.

Vor allem in China, jedoch auch in Thailand, Vietnam, Burma, Laos und anderen Staaten verging zudem der Appetit auf Wildprodukte. Pangoline, Reptilien, Nager und Vögel aus Afrika und Asien schienen für den Speisezettel, die traditionelle Medizin oder als Statussymbol etwas weniger gefragt.  

Asiatischer Supermagnet für illegalen Tierhandel

Wie das auf Artenschutz spezialisierte Onlinemagazin Mongabay in einem ausführlichen Artikel berichtet, dürfte 2020 allein in Südostasien der illegale Wildtierhandel um geschätzte 50 Prozent eingebrochen sein.

Die Weltregion gilt als Supermagnet für kriminelle Wildtieraktivitäten. Hier landen – versteckt in Containern, Schiffsbäuchen, Flugzeugen und Lastwagen – auch die meisten Lebewesen, die tonnenweise den Wildnissen und Gewässern Afrikas oder Südamerikas entrissen werden. Die Mengen toter Wildtiere sind ebenso unvorstellbar wie das Leid ihrer gefangenen und transportierten Artgenossen.

Massiver Einbruch des Wildtierhandels?

Gemäss dem Counter Wildlife Trafficking Digest der United States Agency for International Development (USAID) von diesem Mai sind aufgrund der Pandemiefolgen beispielsweise die Beschlagnahmungen von Pangolinteilen in China, Laos, Vietnam und Thailand markant zurückgegangen – von 82 (2019) auf 48 Fälle im Jahr 2020. Auch die Gesamtmenge der Beschlagnahmungen sank deutlich – von 171,7 Tonnen (2019) auf gerade noch 10,8 Tonnen im letzten Jahr.

Markant eingebrochen sind laut dem Bericht auch die Beschlagnahmungen von Tigerteilen und Elefantenprodukten. Für 2020 wurden insgesamt 121 gemeldete Elfenbeinbeschlagnahmungen verzeichnet – ein Rückgang um 36 Prozent gegenüber 380 Konfiszierungen im Jahr 2019.

Ausweichmanöver in die Digitalwelt

Hat also der kriminelle Wildtierhandel «dank» der Pandemie und der eingeschränkten Bewegungsfreiheit insgesamt abgenommen? Experten wie Serene Chng vom Wildtierhandels-Überwachungsnetzwerk TRAFFIC, mögen keine Entwarnung geben.  

Denn unterdessen habe sich der Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten noch mehr auf Online-Plattformen verlagert. Einmal dürften im teils verschlüsselten Deepnet und dem ganz verschlüsselten Darknet Händler neue Wege eröffnet haben, um mit Käufern zu verhandeln. Vorteil für die Kriminellen: Ihr verschlüsselter Online-Handel ist für die Strafverfolgungsbehörden schwerer zu bekämpfen.

Ewig begehrtes Elfenbein: Schnitzerei, Kunming, China | Foto by R. Suter / FSS

Attraktive Social Media

Nachteil: Es ist für die Verbrecher wesentlich einfacher, auf den gängigen Social Media-Kanälen des Internets ihre Ware anzubieten. Und das wird offensichtlich auch regelmässig riskiert.

TRAFFIC wies vor einem Jahr nach, dass im Jahr 2016 auf 1'559 Facebook- und Instagram-Konten in Indonesien, Thailand und Vietnam 8'508 Elfenbeinartikel zum Verkauf angeboten wurden - von Elefantenstosszähnen bis hin zu Schmuck und Dekorationsartikeln.

Zu ähnlichen Resultaten kam der Schweizer Artenschützer und Investigativfilmer Karl Ammann bei seinen Recherchen. Das Internet scheint beim Wildtierhandel mit seiner Reichweite und Anonymität vermehrt die lokalen Umschlagplätze abzulösen.

Facebook und Co blocken ab

Doch Social Media-Giganten wie Facebook, Google, Instagram, Tik Tok oder Pinterest sind unterdessen sensibilisiert. Sie haben 2018 die Koalition zur Beendigung des Online-Wildtierhandels aus der Taufe gehoben.

Die 21 Gründer-Unternehmen der Coalition to End Wildlife Trafficking Online sind seither auf 40 Firmen mit über 9 Milliarden Nutzerkonten angewachsen. Und die Koalition agiert: Sie soll bislang mehr als 4 Millionen Einträge blockiert haben, welche gegen Verbote der Wildtier-Richtlinien verstiessen.

Aufklärung der NutzerInnen

Wer bei Facebook oder Instagram Suchbegriffe eingibt, die sich auf geschützte Tiere beziehen könnten, wird als Nutzer und Nutzerin schon mal via Pop up-Meldung über den illegalen Wildtierhandel ins Bild gesetzt. Facebook will laut Mongabay seine Massnahmen gegen den Wildtierhandel weiter verschärfen.

Kriminelle Händler, die mit ihrem Treiben zur schnelleren Ausrottung der Wildtiere beitragen und laut neuen Erkenntnissen auch «Vorräte für nach der Pandemie» anlegen, weichen nun offenbar vermehrt auf offene Plattformen wie WhatsApp, WeChat oder Telegram aus, welche von den Behörden schwieriger zu kontrollieren sind. Neu entdeckt wurden in Indien illegale Angebote auch auf dem Videodienst Youtoube.

China weiterhin im Zentrum

Laut der Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID) erfolgen die meisten Beschlagnahmungen von Wildtieren und deren Körperteile weiterhin in China. Das Land verschärfe zwar seine Wildtierbestimmungen zur Verhinderung zukünftiger Pandemien, habe jedoch immer noch erhebliche Schlupflöcher, welche die Ausbeutung bedrohter Tierarten für die traditionelle Medizin erlauben – ein Milliardengeschäft, dem selbst eine Diktatur nicht beizukommen scheint.

Kriminellen Händlern und Händlerinnen gelingt es offensichtlich auch während der Pandemie, ihre Ware von Umschlagsplätzen in Afrika, dem Nahen Osten und in Südostasien ins Reich der Mitte zu schmuggeln, ohne dass die Grenzkontrollen sie entdecken.

Immer mehr Arten gefährdet

Covid-19 hat also den illegalen Wildtierhandel abgebremst, aber nicht kollabieren lassen. Und er werde, so sind sich die Fachleute einig, wohl in der Zeit nach der Pandemie wieder voll aufblühen und weitergehen. Zu gross die Gier nach Geld, zu gross die Nachfrage nach Nahrung, nach Medizin, nach Schmuck und nach tierischen Statussymbolen.

Das Mongabay-Team verweist noch auf ein weiteres Problem: «Kriminelle Netzwerke, die einst den Elfenbeinhandel aufrechterhielten, haben sich in den letzten Jahren auf Schuppentiere ausgeweitet, und die Suche nach Alternativen zu Elfenbein hat zu einem raschen Anstieg der Nachfrage nach Riesenmuschelschalen geführt.» Dem liegt ein fataler Mechanismus zugrunde: Verschwindet eine begehrte Art, wird auf eine nächste, bislang weniger attraktive ausgewichen.

Werden der illegale Wildtierhandel und die Wilderei von den Staaten nicht wesentlich entschlossener bekämpft, werden die Wildtiere und Wildnisse dieser Erde in absehbarer Zeit verschwunden sein.

Titelbild: Schuppentier mit Tastatur für Internetsuche | © Fotomontage by FSS , National Geographic / R. Suter

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